Dienstag, 16. September 2008

Jungs Dolchstoßlegende



Originell ist er nie gewesen, der deutsche "Verteidigungsminister" Jung. Deshalb hat er sich bei der Obersten Heeresleitung (OHL) ein bisschen Propaganda ausleihen müssen, um den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu rechtfertigen. Der ist laut Jung erfolgreich. Aber an der Heimatfront gibt es ein Problem.


Dort fordern Leute, die man früher als "vaterlandslose Gesellen" verunglimpft hätte, den Abzug der deutschen Truppen, zum Beispiel DIE LINKE und Abgeordnete der Grünen. Sogar ein "Nestbeschmutzer" aus Jungs eigenem Parteistall ist dabei.


Diese Forderungen seien den "Extremisten" in Afghanistan bekannt, sagte Jung bei einem Besuch in Kabul, und deshalb würden Anschläge auf Bundeswehrsoldaten verübt, um die deutsche Bevölkerung gegen den Einsatz aufzubringen. Wer einen Abzug der Truppen fordere, spiele den "Extremisten" in die Hände. "Ich kann nur diejenigen in Deutschland dringend auffordern, Forderungen einzustellen, im Hinblick auf einen Rückzug aus Afghanistan, weil das diese Aktivitäten noch bestärkt und somit die Sicherheit unserer Soldaten eher gefährdet", so Jung weiter.

Die Truppen sind im Felde unbesiegt, aber sie erhalten einen Dolchstoß von hinten. Friedensbewegte sind mit schuld an Gewalt. Wo die Regierung gegen den Willen der Bevölkerung handelt, hat solch abgedroschenes Gequassel Konjunktur.

Es ist nicht notwendig, die deutsche Bevölkerung gegen die Bundeswehreinsätze aufzubringen, denn sie ist es schon. Über 80 Prozent sind dagegen, 55 Prozent fordern sogar einen zügigen Abzug der deutschen Truppen.

So ganz mag sich der regelmäßig für negative Schlagzeilen sorgende Bundesminister aber nicht auf die Linie eines Ludendorff oder Hindenburg begeben. Die wussten immerhin, wovon sie redeten: vom Krieg. Doch den mag Jung in Afghanistan nicht erkennen. "Ich verstehe unter Krieg etwas anderes", meinte er. Als ob die Bundeswehr am Hindukusch Kamelle werfen würde. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Friedensminister ist er demnach nicht. Wo er den Eindruck zu erwecken versucht, kauft ihm das die Mehrheit der Bevölkerung nicht ab. Kriegsminister ist die treffende Berufsbezeichnung. Davon, also von der Wahrheit, will Jung nichts wissen.

Verteidigungsminister, das geht allerdings auch nicht. Denn die NATO-Truppen sind ja nach offizieller Lesart nicht in der Defensive. Doch seit Wochen jedenfalls sterben in Afghanistan mehr Soldaten der USA und ihrer Verbündeten als im Irak - und die Angriffe auf die NATO-Truppen nehmen zu.



Ein Blick ins Geschichtsbuch wäre hilfreich. "Mit 13000 der Zug begann, einer kam heim aus Afghanistan", dichtete Theodor Fontane. Gemeint war die Niederlage der britischen Besatzungsmacht 1841/42. 1842 wurden alle sich aus Kabul zurückziehenden britischen Soldaten (samt Familienangehörigen) von afghanischen Aufständischen getötet - mit Ausnahme eines Militärarztes.

Der zweite anglo-afghanische Krieg ab 1878 war für die britischen Besatzer zwar erfolgreicher, aber die Truppen wurden auch 1881 wieder abgezogen. Der dritte Krieg 1919 beendete die 60-jährige britische Vorherrschaft. Großbritannien musste die Unbhängigkeit Afghanistans anerkennen.

Wer in der Geschichte nicht so weit zurückgehen will, sollte die Russen fragen. Obwohl sie Afghanistan mit 130.000 Soldaten besetzt hielten, mussten sie nach 10 Jahren dem afghanischen Widerstand nachgeben und abziehen. Zum Vergleich: derzeit sind etwa 60.000 ausländische Soldaten (ISAF und OEF) in Afghanistan.

Jung will trotzdem mehr Truppen nach Afghanistan schicken - und Bush welche aus dem Irak dorthin verlegen. Das wird zu mehr Blutvergießen führen. Eine alte Weisheit lautet, dass fühlen muss, wer nicht hören will. Die ist allerdings in diesem Fall unangebracht. Denn es sind nicht Jung und Bush, die ihren Kopf hinhalten müssen.