Dienstag, 7. Oktober 2008

USA: Proteste gegen Rettungspaket für Wall-Street-Millionäre

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In zahlreichen US-Städten machten Demonstranten ihrem Ärger darüber Luft, dass der Staat Spekulanten mit Steuergeldern hilft, Arme und Arbeitnehmer hingegen im Stich lässt.
Trotz der Verabschiedung des 700 Milliarden Dollar schweren Finanzrettungsplan für die Wall Street ist der Aktienindex Dow Jones weiter um fast 500 Punkte gefallen. Denn nach Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten befürchten viele Anleger, dass sich eine Rezession nicht mehr verhindern lässt.

Kritischer als die Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses, die den Plan zunächst mehrheitlich ablehnten, dann doch zustimmten, sieht die amerikanische Bevölkerung den Bailout. Im Vorfeld der Abstimmungen bombardierten Bürger ihre Parlamentsvertreter mit E-Mails und protestierten gegen das Rettungspaket. Zeitweise ist der Server des Repräsentantenhauses deswegen zusammengebrochen.

Proteste in 200 Städten

Schon Ende September machten US-Bürger in mehreren Städten ihrem Ärger über das Rettungspaket Luft, wie das amerikanische Online-Magazin SocialistWorker.org berichtet: "Das ist Wohlfahrt für große Investmentbanken" sagte eine Teilnehmerin eines Protestmarsches durch den Finanzdistrikt von New York. "Gleichzeitig haben Menschen keine Unterkunft, können sich keine Gesundheitsversorgung leisten und überleben nur mit Mühe. Das ist Betrug und dagegen protestieren wir."

Barbara Hickernell, die ebenfalls in New York protestierte, erzählte, dass die Finanzkrise ihren Pensionsfond getroffen habe: "Ich muss nun vier Jahre mehr arbeiten, um den Verlust wieder auszugleichen. Ich wollte meinen Kindern eigentlich ein besseres Leben ermöglichen, als ich es gehabt habe. Aber ich glaube nicht, das das klappen wird."

Während in Washington D.C. über das Rettungspaket für Spekulanten beraten wurde, protestierten nur einige Blocks entfernt Aktivisten gegen die kurz vor dem Winter geplante Schließung der letzten Notunterkunft für Obdachlose in der Innenstadt. Das Gebäude soll an einen privaten Investor verkauft werden. Ob wohl sich der Protest primär gegen die Schließung richtete, zogen die Aktivisten die Verbindung zum Bailout für Wall-Street- Millionäre.

Insgesamt fanden Ende September in rund 200 Städten und Gemeinden ähnliche Proteste statt. An den meisten der kurzfristig organisierten Aktionen nahmen mehrere dutzend bis hunderte Menschen teil. Vor der New Yorker Börse demonstrierten etwa 1000.

"Rettet Krankenhäuser statt Banken"

Am 1. Oktober veranstaltete das Arbeitnehmerrechte-Bündnis "Jobs with Justice" (Menschenwürdige Arbeitsplätze) mit Unterstützung mehrerer Gewerkschaften einen landesweiten Aktionstag unter dem Motto "Keine Blankoschecks für die Wall Street".

Beim Protest in New York attackierte John Sweeney, Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO die Regierung: "Die Bush-Administration will, dass wir die Zeche zahlen für einen Wall Street-Bailout, der nicht einmal die Ursachen der gegenwärtigen Krise berührt. Wir wollen, dass unsere Steuergelder dafür verwendet werden, Millionen arbeitender Menschen zu unterstützen und nicht an eine privilegierte Bande überbezahlter Manager ausgezahlt werden."

Gemeinsame Forderung der Aktivisten ist eine bessere Verwendung staatlicher Gelder für Gesundheitsversorgung, bessere Bildung und die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze.

Am Protest in Chicago beteiligte sich die Gewerkschaft für Pflegekräfte NNOC und forderte von der US-Regierung andere Prioritäten: "Rettet Krankenhäuser statt Banken" stand auf einem der NNOC-Plakate. Eine NNOC-Krankenschwester meinte in ihrer Rede zu den Protestierenden wütend: "Als mein Mann und ich 2004 unsere Gesundheitsversicherung und Lebenshaltungskosten nicht mehr bezahlen konnten und pleite gingen, ja glaubt ihr, da war jemand da, der für uns ein Rettungspaket geschnürt hat? Nein!"

Eine andere Aktivistin machte darauf aufmerksam, dass nicht nur für Spekulanten, sondern auch für den Krieg im Irak Milliarden verschleudert werden.

(mit Material von SocialistWorker.org)