Marktwirtschaftliche Ansätze dominieren in den grünen Parteien und sind in Umwelt-NGOs weit verbreitet. Andererseits hat Kapitalismuskritik eine Renaissance erlebt und dazu geführt, marktkonforme Umweltpolitik verstärkt in Frage zu stellen. Wie linke Umweltpolitik aussehen kann, darüber wird im Themenheft »Energie und Klima« des Magazins »Widerspruch« debattiert.
Widerspruch - Beiträge zu sozialistischer Politik: Themenheft »Energie und Klima« Nr. 54, Juni 2008, 224 Seiten, 16,00 Euro
Noch vor knapp vier Jahren herrschte in Sachen Klimaschutz Euphorie: Das Kyoto-Protokoll war gerade in Kraft getreten. Mittlerweile ist die Feierlaune verflogen. Die Wirtschaftskrise dominiert die Schlagzeilen und mit den Börsenwerten ist auch der Wille der Vertragsstaaten gesunken, dem drohenden Klimakollaps etwas entgegenzusetzen. Markt geht vor Umwelt - so der Tenor aus den Chefetagen von Wirtschaft und Politik.
»In der Klimaproblematik manifestiert sich der unauflösbare Konflikt zwischen Ökologie und Kapitalismus«, schreibt die Redaktion des linken Schweizer Magazins Widerspruch. Im vergangenen Sommer hat sie ein Themenheft zu »Energie und Klima« herausgebracht. In zahlreichen Beiträgen analysieren Fachleute aus der Schweiz, Österreich und Deutschland unterschiedliche Facetten der Energie- und Umweltpolitik im Kapitalismus, die Folgen für Menschen und Natur und stellen ihre Alternativen zur herrschenden Politik vor.
Es werden auch Auswirkungen diskutiert, die in den öffentlichen Debatten keine Rolle spielen: zum Beispiel die Tatsache, dass der herrschende Umgang mit Ressourcen und der Natur global einen großen Teil der Frauen, vor allem die ärmsten, massiv benachteiligt. In mehreren Beiträgen wird der zerstörerische Zwang zu profitorientiertem Wachstum kritisiert. In den Klimadebatten, so wie sie in Massenmedien und auf Regierungsebene geführt werden, gelten hingegen Markt und Wachstum als Voraussetzungen der Klimapolitik.
Die Autorinnen und Autoren bearbeiten nicht nur unterschiedliche Themen, sondern vertreten auch verschiedene, zum Teil entgegengesetzte, theoretische Ansätze. Die Kritik an der Schädlichkeit herrschender Energie- und Klimapolitik ist allen Beiträgen gemeinsam. Doch einige Autoren sehen trotzdem Unternehmer und Politiker als Hauptakteure für Veränderungen. In dem Beitrag von Achim Braunwalder spielt Marktkritik keine Rolle. Ein Umsteuern in Richtung nachhaltige Gesellschaft ist für ihn »einzig eine Frage des ernsthaften Willens von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft« - der derzeit fehle.
Beat Ringger plädiert im Gegensatz dazu für eine neue Umweltbewegung, die sich »radikal von einer marktwirtschaftlichen Orientierung« verabschieden sollte. Er bemängelt, dass Klimawandel, Rohstoffkrise und »unsichere Energiezukunft« nicht als Ausdruck einer »systemischen Krise der kapitalistischen Produktionsweise« diskutiert werden. Denn marktkonformer angeblicher Umweltschutz habe nicht nur eine weitere Schädigung der Umwelt nicht verhindert, sondern auch große Teile der ersten globalen Umweltbewegung der 1970er bis 1990er Jahre geschwächt.
Dieser Disput ist Ausdruck der Tatsache, dass es einerseits den Neoliberalen gelungen ist, den Markt als Lösung der Umweltprobleme zu präsentieren. Marktwirtschaftliche Ansätze dominieren in den grünen Parteien und sind auch in Umwelt-NGOs weit verbreitet. Andererseits hat Kapitalismuskritik mit der globalisierungskritischen Bewegung eine Renaissance erlebt und auch dazu geführt, marktkonforme Umweltpolitik verstärkt in Frage zu stellen.
Trotz der Themenvielfalt kommt in dem vorliegenden Band eine Analyse der Strategien und Praktiken der Umweltbewegung und damit der Ursachen ihrer Schwächen zu kurz. Der in dieser Hinsicht sehr gute Beitrag von Beat Ringger gleicht diesen Mangel nur zum Teil aus.
Widerspruch liefert mit dieser ansonsten sehr gelungenen Ausgabe nicht nur einen Einblick in die Themen und Debatten, sondern auch Argumente für all jene, die für eine gerechte und ökologisch nachhaltige Gesellschaft kämpfen.
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