Samstag, 20. März 2010

Neukölln geht durch den Magen


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Auch wenn die schmalen Geldbeutel im Kiez keine große Wahl lassen: Neukölln geht durch den Magen. Und meistens geht das auch gut, allen Fast-Food-Kiez-Vorurteilen zum Trotz.
Ob das auch für den neuen Aladdin-Imbiss an der Hermannstraße gilt, der sich - wohl wegen der raumfressenden Bauweise - "Dönerhaus" nennt, wird Pickelhering bei nächster sich bietender Gelegenheit testen (Kühlschrank leer und kein Bock auf Schlange stehen beim Lebensmitteldiscounter gegenüber).

Die Hürde liegt jedenfalls hoch. Denn die hohen Künste des Pizzabäckers, der die Luft dieser Location bis vor gar nicht allzu langer Zeit mit riechkolbenumschmeichelnden Düften verzierte, hat Pickelhering desöfteren gefordert - und kenntnisreich kommentiert (MjammMjamm / Schmackofatz / in pizza veritas).

Doch leider hat sich der begabte Teig-Masseur für einen in diesem Kiez weit verbreiteten Businessplan entscheiden müssen: die Pleite. Mal schaun, ob Aladdin durchhält. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Denn an Döner-Buden herrscht in Neukölln ein ähnlich bejammernswerter Mangel wie an Essstäbchen in China.

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, Neuköllner seien Sofa-Kartoffeln, denen selbst zubereitete Speisen nicht die Mühe wert seien. Den augenfälligsten Gegenbeweis liefern die zahlreichen Gemüsehandlungen.

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Über deren Betreiber, sofern es sich um Türken oder Araber handelt, hat sich der Bundesbanker und selbst ernannte Arbeitslosen- und Migrantenexperte Thilo Sarrazin (SPD) in abgeschmackter, rassistischer Weise ausgelassen (PH berichtete für marx21.de). Was gegen Menschen sprechen soll, deren Beruf es ist, anderen die Zutaten für die tagtägliche Herstellung des leiblichen Wohls zu liefern, bleibt das Geheimnis dieses besserverdienenden Berufszynikers.

Dass viele in Neukölln auf Hartz-IV-Diät gesetzt sind, findet Sarrazin okay. Vor zwei Jahren, damals noch Berliner Finanzsenator, hatte der Maître de Cuisine alle Kosten und Mühen gescheut und einen "Speiseplan" für Arbeitslose entworfen. Mit dieser Fraßliste polemisierte er gegen Forderungen nach einer Erhöhung der ALG-II-Sätze.

Wenn Vertreter der so genannten "Leistungselite" sich berufen fühlen, "Das perfekte Prolo-Dinner" zu inszenieren, kann einem der Appetit vergehen. Nicht nur in Neukölln.

(Fotos: Pickelhering)